Fallbericht: Katze Willow leckt sich das Fell weg

Als Katzenverhaltensberaterin treffe ich immer wieder auf Katzen, die durch Verhaltensprobleme leiden, und auf Besitzer, die verzweifelt nach einer Lösung suchen. Heute möchte ich den Fall von Willow teilen. Ihre Besitzerin stand vor der Herausforderung, dass Willow sich immer wieder ihr Fell wegleckte, bis kahle Stellen entstanden. Es war eine schwierige Zeit für beide: Willow litt, und ihre Besitzerin wusste nicht mehr, wie sie ihr helfen konnte.

In diesem Bericht schildere ich, was wir gemeinsam unternommen haben, um den Ursachen auf den Grund zu gehen und eine Lösung zu finden.

1. Das Problem: Übermäßiges Lecken an Bauch und Beinen

Willow, eine Europäisch Kurzhaar-Katze, kam mit einem schwerwiegenden Problem in meine Beratung: Sie leckte sich exzessiv, bis ihr Bauch und ihre Beine wund waren. Ihre Halterin war verzweifelt. Mehrere Tierärzte hatten sie bereits konsultiert, doch keine der verschriebenen Behandlungen brachte eine nachhaltige Lösung. War es eine Allergie? Oder doch Stress?

Besonders besorgniserregend war, dass das Verhalten sich verschlimmerte. Könnte der Grund für ihr übermäßiges Lecken in ihrem Umfeld liegen? In diesem Fallbericht nehme ich dich mit auf die Reise, wie wir die Ursache für Willows Verhalten herausgefunden haben – und wie sich ihr Leben (und das ihrer Halterin) nachhaltig verbessert hat.

2. Ausgangssituation: Wer ist Willow?

Die Katze und ihre Halterin

Willow ist eine Europäisch Kurzhaar-Katze, sSie kam im Jahr 2017 zu ihrer Halterin, als sie bereits sieben Jahre alt war. Ihre Halterin beschreibt sie als neugierig, kontaktfreudig und aufgeschlossen – aber auch ängstlich in neuen Situationen. Seit dem ersten Tag schlief Willow mit im Bett ihrer Besitzerin, was eine enge Bindung zwischen ihnen zeigt.

Leben im Mehrkatzenhaushalt

Willow lebt mit einer weiteren Katze zusammen: Fränzi, eine 19-jährige Britisch Kurzhaar. Die beiden teilen sich das Zuhause und haben eine eher distanzierte Beziehung. Sie putzen sich gelegentlich gegenseitig, spielen jedoch kaum miteinander. Die Halterin beschreibt, dass Willow manchmal ohne für sie erkennbaren Grund auf Fränzi im Haushalt los geht. Die Streitigkeiten treten etwa ein- bis dreimal pro Monat auf, in denen die Halterin meist eingreift und Willow ermahnt.

Wohnsituation und Haltung

Willow ist eine Wohnungskatze mit Zugang zum Balkon. Die Halterin wohnte zum Zeitpunkt der Beratung gerade in einer 36 qm Wohnung. In der Wohnung gibt es Kratzmöglichkeiten, mehrere Rückzugsorte und zwei Katzentoiletten mit Hauben.

Das Problemverhalten: Exzessives Lecken und Unsicherheit

Das Hauptproblem: Willow leckte sich obsessiv an Bauch und Beinen, bis offene Wunden entstanden. Dieses Verhalten trat mehrmals täglich auf und verstärkte sich zu bestimmten Zeiten.

Mögliche Ursachen? Die Halterin hatte bereits einige Verdächtige im Blick:

  • Streitigkeiten mit der zweiten Katze im Haushalt
  • Begrenzter Platz in der Wohnung

Zusätzlich fiel auf, dass Willow auch in anderen Bereichen unsicher war: Sie hatte Angst vor lauten Geräuschen, reagierte skeptisch auf Veränderungen und war insgesamt ein vorsichtiger Charakter.

Bisherige Lösungsversuche – ohne Erfolg

Die Halterin hatte bereits einiges ausprobiert, um Willow zu helfen:

  • CBD-Öl, Katzenminze, Pheromon-Sprays
  • Mehrere Tierarztbesuche mit verschiedenen Diagnosen: Stress, Allergie, Hautprobleme
  • Medikamente wie Cortison, Apoquel, Salben und Tropfen

Doch trotz aller Bemühungen blieb das Problem bestehen. Was steckte also wirklich hinter Willows Verhalten?

In einer ersten E-Mail an mich schilderte Vivienne ihre Verzweiflung:

„Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll. Ich habe das Gefühl, dass sie nicht zur Ruhe kommen kann. Sie schreckt auf bei lauten Geräuschen, kratzt oft und doll an der Couch und geht manchmal ohne erkennbaren Grund auf die zweite Katze im Haushalt los. Das größte Problem ist aber, dass sie sich wirklich kahl leckt an Bauch und Beinen und auch am Kopf aufkratzt, mal mehr, mal weniger. Die Tierärzte haben auf eine Allergie getippt, aber eine Behandlung mit Apoquel und Cortison blieb komplett erfolglos. Ich bin mir sicher, dass es psychische Gründe sind, kann diese aber einfach nicht richtig ausmachen. Deshalb hoffe ich, dass du mir weiterhelfen kannst, weil es wirklich schwer mit anzusehen ist und alles leider schon viel zu lange so geht.“

Es gab erste wichtige Hinweise darauf, dass Stress und Veränderungen eine zentrale Rolle spielten. Die Frage war nun: Was genau triggert Willow – und wie können wir ihr helfen?

3. Maßnahmen und Verlauf

Nachdem wir im ersten Gespräch das Leck-Protokoll durchgegangen waren, sprach ich mit der Halterin über eine mögliche Futtermittelunverträglichkeit. Sie erzählte mir, dass ein Umzug in eine größere Wohnung bevorstand. Deshalb stand für sie zunächst ein stressfreier Umzug im Fokus. Ich gab ihr einige Tipps, um Willow diesen Wechsel so entspannt wie möglich zu gestalten.

Erste Maßnahmen

Um Willow zu entlasten und die möglichen Ursachen für ihr Verhalten weiter einzugrenzen, beschlossen wir folgende erste Schritte:

  1. Stressreduktion für Willow
    • Der Umzug sollte so ruhig wie möglich verlaufen.
    • Zur Unterstützung erhielt Willow täglich eine Kapsel Zylkene 225 mg.
    • Erst wenn Willow in der neuen Umgebung wieder selbstbewusstes Verhalten zeigt, sollten weitere Maßnahmen folgen.
  2. Test auf Futtermittelunverträglichkeit
    • Eine Ausschlussdiät über 8 Wochen wurde gestartet.
    • Als neue Eiweißquellen kamen Känguru, Hirsch oder Insekten infrage, da Willow diese noch nie gefressen hatte.
    • Nach 8 Wochen würde ein Provokationstest mit dem alten Futter erfolgen, um die Unverträglichkeit zu bestätigen.
  3. Clickertraining zur Stärkung von Willows Selbstbewusstsein
    • Da die Halterin in den kommenden Wochen wenig Zeit hatte, starteten wir lediglich mit der Konditionierung auf das Klickgeräusch:
      • Klick ➔ innerhalb von 2-3 Sekunden eine Belohnung (z. B. Streicheln oder Loben).
      • Diese Einheit 10-15 Mal wiederholen und später erneut durchführen.
      • Der Erfolg war sichtbar, wenn Willow auch in abgelenktem Zustand auf den Klick reagierte.

Das zweite Gespräch: Erste Fortschritte

Nach dem Umzug sprach ich erneut mit der Halterin. Sie berichtete mir von den positiven Veränderungen:

  • Der Umzug lief reibungslos. Willow wirkte entspannter, und die größere Wohnung ermöglichte es ihr und Fränzi, sich besser aus dem Weg zu gehen.
  • Das neue Futter wurde jedoch nur widerwillig angenommen.

Um die Futterakzeptanz zu steigern, empfahl ich folgende Schritte:

  • Langsame Futterumstellung
    • Über zwei Wochen hinweg schrittweise immer eine kleine Menge des neuen Futters untermischen.
  • Aromatische Tricks zur Verbesserung der Akzeptanz
    • Das Futter mit Thunfischsuppe von Miamor oder abgekochter Hähnchenbrühe mischen.
    • Leckerlis oder Trockenfutter als Krümel über das Futter streuen.

Zusätzlich starteten wir mit ersten Clicker-Übungen:

  • Finger antippen
  • Kreis drehen
  • Pfote geben

Das dritte Gespräch: Eine plötzliche Wendung

Beim dritten Termin schlug die Stimmung um. Die Halterin war am Boden zerstört – Fränzi war plötzlich verstorben. Es war alles sehr schnell gegangen, und der Verlust traf sie tief.

Auch Willow zeigte eine deutliche Veränderung:

  • Sie miaute häufiger und war auffallend anhänglich.
  • Sie hatte zuvor in den letzten Wochen Fränzi oft aus dem Weg gegangen, doch ihr Fehlen hinterließ eine spürbare Lücke.

Doch trotz dieser traurigen Entwicklung zeigte sich ein Lichtblick:

  • Willow begann sich zu erholen:
  • Der Haarausfall reduzierte sich, und es war bereits ein feiner Flaum auf ihren Beinen zu sehen.
  • Die Halterin stellte fest: Jedes Mal, wenn Willow ihr altes Futter (Purina) bekam, kehrten die Symptome sofort zurück.
    • „Sie hatte vermehrt wieder das Purina bekommen, als das mit Fränzi war, und siehe da, der Juckreiz kam wieder. Unschön für Willow, aber für uns ein relativ sicheres Zeichen, dass sie es einfach nicht verträgt. Ich bin also zum tausendsten Mal durch den Fressnapf gestöbert.“

Damit war klar: Die Futtermittelunverträglichkeit war eindeutig bestätigt.

4. Der Abschluss: Ein Happy End für Willow

Einige Wochen später erreichte mich eine erfreuliche Nachricht der Halterin. Sie schickte mir ein Foto von Willow, auf dem man gut erkennen konnte, dass ihr Fell am Bauch zurückkam.

Die Halterin beschrieb auch, dass Willow sich mehr entspannte, weniger schreckhaft bei Geräuschen war und sie Willow kaum noch beim „Belecken“ entdeckte.

Mit dem neuen Futter und ohne den unterschwelligen Stress mit Fränzi blühte Willow auf.

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